"Kein Wind ist demjenigen günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will."
(Michel de Montaigne)







3. Tallinn - Helsinki

Tallinn (Reval)

Tallin hat eine herrliche Altstadt, in die wir durch das alte Stadttor neben der Dicken Margarethe, einem runden Wehrturm, gelangen. Die mittelalterliche Stadtmauer mit ihren Wehrtürmen ist sehr gut erhalten. Wir laufen über hunderte Jahre altes Kopfstein-pflaster durch enge Gassen mit restaurierten Bürgerhäusern. In der Olaikirche steigt Bernd auf die Aussichtsplattform des Kirchturms. Die Mühe wird mit einem Rundblick über Hafen und Altstadt bei klarer Sicht belohnt. Wir kommen zum Rathausplatz mit seinen Marktständen und Restaurants. Vorbei an der St. Nikolaikirche laufen wir zum Wehrturm Kiek in de Kök am Rande der Altstadt. Wie in Riga gibt es hier auch die Häuser der Großen Gilde und der Schwarzhäupterbruderschaft. Die Altstadt nimmt einen gefangen. Zwar touristisch überlaufen, in Tallinn liegen mehrere Kreuzfahrschiffe und große Fähren, aber dennoch angenehm. Betritt man schon begangene Plätze durch eine andere Gasse wirkt es, als sei man noch nicht hier gewesen. Der nächste Ausflug führt uns auf dem Domberg. Hinter der Newski-Kathedrale liegt die Domkirche zu St. Marien. Auf dem Domberg mit seinen Regierungsgebäuden gibt es noch drei Aussichtpunkte mit Blick über Stadt und Hafen.
Neben der Marina gibt es einen riesigen Supermarkt, in dem vor allem alkoholische Getränke angeboten werden. Hintergrund ist der in Skandinavien durch staatliche Monopole regulierte Verkauf. Mit den Fährschiffen kommen vor allem Finnen und kaufen was sie forttragen können. Innerhalb der EU darf man im privaten Reiseverkehr Waren zum eigenen Verbrauch fast unbegrenzt mitführen. Die Abgrenzung zur gewerblichen Verwendung liegt z.B. beim Wein bei 90 Litern. Auch wir bereiten uns auf unsere Skandinavien-Route entsprechend vor und so verschwindet eine stattliche Anzahl von Weinflaschen und Boxen in dem Bauch der Impuls.

Tallinn hieß bis 1918 Reval. Im Jahre 1219 eroberte der dänische König Waldemar II die alte estnische Burg auf dem Domberg. 1227 eroberte mit päpstlicher Genehmigung der Schwertbrüderorden die Stadt. 1238 fiel Reval wieder an Dänemark. Obwohl unter dänischer Herrschaft, behielt die Stadt eine deutsche, aus Kaufleuten bestehende Oberschicht. Bis 1889 war die Amtssprache Deutsch. Als Moskau 1558–1561 den Deutschen Orden in Livland besiegte, wandte sich Reval an Schweden als Schutzmacht. Infolge des Großen Nordischen Krieges fiel Reval 1710 an Russland. 1918 wurde die selbständige Republik Estland mit der Hauptstadt Tallinn ausgerufen. 1940 sowjetische Okkupation, 1941 Besetzung durch die deutsche Wehrmacht, 1944 stellte die Rote Armee die sowjetische Herrschaft wieder her. 1991 erneute Unabhängigkeit und 2004 Beitritt zur Europäischen Union.

Tallinn - Helsinki

Samstag 2. Juli. Wir legen bei Sonnenschein ab. Nördlich der Insel Aegna frischt der Wind auf konstant 4 Bft auf. Wir setzen die Segel und gleiten mit über 7 Knoten über den Finnischen Meerbusen. Sowohl in Ost- Westrichtung (von und nach St. Petersburg) als auch in Nord- Südrichtung (Helsinki-Tallinn) sind zahlreiche Großschiffe unterwegs. Vor Helsinki ändert sich die Landschaft, es gibt eine Unmenge Steininseln (Schären) und Untiefen, die meist mit gelb-schwarzen Kardinaltonnen gekennzeichnet sind. Eine Vielzahl Motor- und Segelboote sind unterwegs. Wir fahren an Suomenlinna, der Festungsinsel aus dem 17. Jahrhundert vorbei zur Marina Norrahamnen, wo wir nach einem perfekten Segeltag zwei Stunden eher als geplant anlegen. Die Marina liegt am Zentrum der Stadt, das Hafengeld beträgt 25€, aber wieder kein WLAN auf dem Schiff. Wir wollen noch in der Stadt eine Kleinigkeit essen. Gehen vorbei an der Uni zum Helsinkier Dom, lauschen dem Gesang im Abendgottesdienst und steigen die riesige Freitreppe zum Senatsplatz hinab. Die Lokale sind voll obwohl die Preise für uns überraschend hoch sind. Unterhalb der Uspenski Kathedrale bezahlt man für einen Teller Pasta 24€, wir entscheiden uns für unsere Bordküche.

Helsinki

Helsinki liegt auf demselben Breitengrad wie der Südteil Alaskas und die Südspitze Grönlands. Hier ist der nördlichste und östlichste Punkt unserer diesjährigen Reise. Jetzt, zur Zeit der Sommersonnenwende gibt es die "Weißen Nächte". Der lichte Tag dauert fast 19 Stunden, und auch während der verbleibenden Stunden wird es nicht vollständig dunkel, weil die Sonne nur knapp unter dem Horizont steht.
Die Wettervorhersage sieht nicht gut aus, Regen und Sturm für die nächsten Tage, vermutlich können wir erst Samstag weiter segeln. Helsinki hat keine "Altstadt", das Zentrum wurde im Auftrag des Zaren zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch den deutschen Architekten L. Engel gestaltet. Prächtige Jugendstilbauten zieren die Straßen und Plätze. Zwei große Kirchen, der Dom und die Uspenski Kathedrale, dominieren das Stadtbild. Auf dem Marktplatz (Eteläsatama) am Südhafen herrscht reges Treiben. Es gibt Stände für Souveniere, Kunsthandwerk, Obst und Gemüse und für das leibliche Wohl. Der Duft verführt uns, den Lachs mit Kartoffeln und Gemüse (12€) zu probieren. Leider war der Fisch totgebraten. Über den Marktplatz gehen wir in die Alte Markthalle und wieder staunen wir über die hohen Preise. Auf der Esplanade, der repräsentativen Parkanlage der Stadt, gehen wir ins Café Kappelli. Der Schokomuffin (5.50€) schmeckt himmlisch. Weiter durch den Park kommen wir zum Svenska Theater und zum Kaufhaus Stockmann. Ein weiterer Stadtrundgang führt uns zum Hauptbahnhof, der mit dem überragenden Uhrturm ein Wahrzeichen der Stadt ist. Finnische Baukunst im späten Jugendstil. Am Bahnhofsplatz steht das beeindruckende Gebäude des Finnischen Nationaltheaters, davor ein Denkmal des Dichters Aleksis Kivi. Über den Kaisaniemi-Park geht es zurück aufs Schiff. Als bei dem stürmischen Wetter sich wieder einmal die Sonne zeigt, gönnen wir uns noch eine Stadtrundfahrt mit einem Ausflugsschiff.

Helsinki wurde 1550 auf Befehl des schwedischen Königs Gustav I. Wasa gegründet. Es sollte für den Russlandhandel ein Konkurrenzhafen zur Hansestadt Reval (Tallinn) geschaffen werden. Als jedoch 1561 Reval unter schwedische Herrschaft fiel, verlor Helsinki an Bedeutung. 1809 wurde die Provinz Finnland dem russischen Zarenreich angegliedert. Zar Alexander I. wollte die finnische Hauptstadt näher zu St. Petersburg verlegen und so wurde 1812 die bisherige Hauptstadt Turku durch Helsinki abgelöst. Großstadt wurde Helsinki erst 1907 als die Einwohnerzahl 100.000 überstieg. 1917 wurde Finnland unabhängig.
1973 fand in Helsinki die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) statt. Die in der Schlussakte von Helsinki getroffenen Vereinbarungen über die Menschenrechte trugen mit zum Zusammenbruch des Ostblocks bei.



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