"Wer nach Japan fährt sucht das Besondere.
Er will ... frischesten Fisch essen, im Shinkansen mit den pünktlichsten Zug der Welt reisen, in stilvollen Gärten die geglückte Verbindung von Architektur und Mensch empfinden, in lärmenden High-Tech-Vierteln die Zukunft bestaunen. Er wird extrem höfliche Menschen treffen und sich wundern, wie sie auf engsten Raum, in stiller Harmonie miteinander auskommen"

(Marco Polo Reiseführer)






Japan

Bernd: Meine erste Begegnung mit der japanischen Kultur liegt weit zurück. Als Kind sah ich Akira Kurosawas 1954 gedrehten Film "Die sieben Samurai" und war tief beeindruckt. Seither übte Japan eine magische Faszination auf mich aus. Und dann war da noch der Fuji San, den ich nach dem Kilmandscharo und dem Ararat unbedingt besteigen wollte.

Eva: Im frühen Kindesalter verkleidete mich meine Mutter zum Fasching als Japanerin. Sie nähte dafür einen Kimono aus goldblauem Brokat, meine Zöpfe wurden zu einem Dutt hochgebunden und unter einem Kegelhütchen versteckt, mein Gesicht wurde geschminkt. Ich sah fremd aus und sehr schön. Später hörte ich im Ballettunterricht von der Tanzkunst der Geishas, viel später verschlang ich beide Bücher über das Leben dieser Frauen. Meine Neugierde auf Japan war geweckt und lies mich bis heute nicht los.

Im Juli 2009 war es endlich soweit, wir hatten eine Rundreise durch Japan gebucht ...

Tokyo - Kamakura

Incheon (Korea) - Tokyo

Am 14. Juli 2009 fliegen wir mit Korean Air von Frankfurt über Seoul nach Tokyo. Der Flug ist unerwartet angenehm. Der Abstand der Sitzreihen bietet ausreichend Beinfreiheit, jeder Sitzplatz verfügt über ein eigenes Display zur Unterhaltung, der Service ist sehr gut und Schlafen gelingt auch. Wir landen auf dem neuen ICN Airport in Incheon, einer vorgelagerten Insel westlich von Seoul. Bis zum Weiterflug nach Tokyo bleiben 6 Stunden Zeit die wir mit einem Ausflug überbrücken, der von der Koreanischen Zentrale für Tourismus gesponsert ist. Wir fahren mit einem Bus an den Strand des Gelben Meeres, vorbei an einer der größten Brücken der Welt, an grünen Laubbäumen und Grasland. Es ist Ebbe. Im Watt finden wir Prile und Krebse wie an der Nordsee. Nach kurzer Entspannung am Wasser besichtigen wir noch den Yonggungsa Tempel. Im Tempelgarten steht ein 1300 Jahre alter Baum und eine 11m hohe weisse Buddastatue. Zurück auf dem Flughafen wird den Fluggästen traditionelle koreanische Volkskunst vom Feinsten geboten.
Der Weiterflug nach Tokyo dauert 2 Stunden. Hier erleben wir zum ersten Mal wirklich starke Turbulenzen und ein "Luftloch", dass unseren Flieger einige Sekunden im feien Fall spürbar sinken lässt. Gleichzeitig hören wir, leise einsetzend, wunderschönen Gesang, fast wie von einem Engelschor. Hinter uns sitzt ein israelischer Mädchenchor, der uns mit den mehrstimmig vorgetragenen Liedern in hebräischer Sprache abgelenkt von Windschwankungen und Turbulenzen bis zur Landung in Tokyo, NRT Airport. Wir spenden den Mädchen begeistert Beifall.
Die Einreiseformalitäten erinnern an USA-Reisen, Foto und Fingerabdruck jedes Einreisenden werden gespeichert. Dann werden wir von unserer Reisleiterin empfangen, die uns zielsicher durch den Flughafen zum Bahnhof für Regionalzüge führt. Kurz darauf fahren wir mit der Skyline (Keisei) bis zur Endhaltestelle Ueno. Es ist 22 Uhr Ortszeit. Zum Hotel im ältesten Stadtteil von Tokyo, in Asakusa, gelangen wir mit Taxis im Linksverkehr. Wir beziehen unser Zimmer im 10. Stock. Es ist geräumig, sehr sauber und angenehm. Der kleine Supermarkt gegenüber dem Hotel ist geöffnet, wir kaufen Rotwein und zwei Fertiggerichte mit Reis, Fisch und etwas Fleisch. Diese werden auf unseren Wunsch an der Kasse in der Mikrowelle erhitzt. Zurück im Hotelzimmer ziehen wir nach einer ausgiebigen Dusche die bereitliegenden Kimonos an. Wir fühlen uns wohl darin und essen zu Abend.

Meiji-Schrein (Meiji Jingu)

Unser erster Tag in Tokyo beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück, für Eva europäisch mit Kaffee, Joghurt, Toast und Rührei, Bernd wählt japanisch Suppe, Fisch und etwas Gemüse. Gegen 10 Uhr trifft sich die Gruppe zum ersten Ausflug. Wir unternehmen alle Ausflüge hier mit der Metro bzw. Bahn. Nach den Erklärungen unserer Reiseleiterin finden wir uns schnell selbst zurecht. Schwierig wirds immer dann, wenn keine englischen Bezeichnungen zu finden sind und das ist doch relativ häufig der Fall. Analphabeten habens halt schwer, überall.
Unser Zielbahnhof ist Shibuya, die Endstation der Ginza Linie. Wir wollen zum Meiji Schrein, dem prächtigsten Shintu Heiligtum der Stadt, der in einem 70 ha großen Parkgelände liegt. Es ist schwül und heiss. Nach kurzer Zeit spüren wir Schweissperlen auf der Stirn und die Kleidung klebt förmlich am Körper. Am Eingang zum Meiji Schrein im Park ist es schattig und etwas kühler. Wir laufen durch mehrere Tori im Park zum Schrein. Sie beeindrucken durch Grösse und Schlichtheit. Wir passieren ein riesige Wand aus beschrifteten Wein- und Sakefässern. Die Fässer wurden dem Schrein gespendet, die Beschriftung nennt die Spender.
Der Meiji Schrein ist ein Shinto-Schrein, der den Seelen des Meiji-tenno und seiner Frau gewidmet ist. Die sterblichen Überreste des kaiserlichen Paares wurden 1920 hierher überführt. Das Gebiet wurde im Jahr 1923 durch das grosse Kanto Erdbeben und den dabei entstandenen Bränden fast vollständig zerstört. Alles Alte wurde in Kopie der Historie wieder aufgebaut. Der Schrein wurde im Weltkrieg 1945 erneut zerstört, die gegenwärtigen Bauten stammen aus dem Jahr 1958.
Bei unserem Rundgang erfreuen wir uns an der wunderschönen alten Architektur. Eine Gruppe weiss gekleiderter Mönche quert unseren Weg. Wir beobachten Japaner beim Gebet, dass jedesmal recht kurz ausfällt. Sie wenden sich mit gefalteten Händen und gebeugtem Kopf zum Schrein, sprechen mit der Gottheit und beenden das Gebet mit einer Geldspende und einer Verbeugung.


Tokyo Metropolitan Government Office

Nach dem erholsamen Auftakt im Park fahren wir zum "Rathaus", dem Tokyo Metropolitan Government Office, Es ist mit 243 m das höchste Gebäude im Stadtteil Shinjuku. Das "Rathaus" befindet sich in unmittelbarer Nähe des Hotels, in dem der Film "Lost in Translation" gedreht wurde. Es wurde erdbebensicher (superstructure) von Kenzo Tange entworfen, einem bekannten japanischen Architekten, der auch den Friedenspark in Hiroshima geplant hat. Das Gebäude gabelt sich oberhalb des 33. Stockwerkes in zwei Türme, ähnlich einer gotischen Kirche. Das 45. Stockwerk beider Türme ist als Aussichtsplattform angelegt. Die Auffahrt ist kostenlos, die Besucher müssen aber eine Sicherheiheitskontrolle des Gepäcks in Kauf nehmen. Oben angekommen sieht man rundum bis zum Horizont auf die riesengrosse Stadt. Tokio ist wahrhaftig eine Weltmetropole, angelegt scheinbar ohne jegliche Struktur, bestehend aus Beton- und Glasbauten in allen Höhen, die von 3 grösseren Parks, den grünen Lungen, wenigstens etwas Sauerstoff erhalten.


Kabuki Theater - Ginza

Das kulturelle Highlight des Tages soll ein Besuch des Kabuki Theaters nahe der Ginza Station werden. Die Ginza ist die angesagte Shoppingmeile Tokyos, sie ist am Wochenende zum Bummeln und Shoppen für den Autoverkehr gesperrt. Die flanierenden Menschen sind auffällig gut gekleidet. Wir nehmen das alles im Vorbeigehen wahr auf unserem Weg zum Theater Kabuki-Za. Das Theater soll wegen finazieller Nöte in 289 Tagen geschlossen werden. Wir erwerben Karten für 1000 Yen im 4. Rang und bleiben 2h im Theater ohne ein Wort zu verstehen. Uns fesseln die schauspielerische Leistung und die Bühnenbilder.
Am frühen Abend gegen 19 Uhr ist es schon dunkel und die Leuchtreklamen in allen Fraben erlösen den Beton von seinem Grau. Nach der Vorstellung kaufen wir im Basement des Mitsukoshi Kaufhauses ein richtiges kleines Brot. Die Lebensmittel in den Auslagen sind perfekt präsentiert. Alles sieht zum Anbeissen appetitlich aus, vor allem wenn man hungrig ist. Wir fahren alleine mit der Ginza Linie zurück zum Hotel. Wenige Schritte entfernt ist ein Ramen-Ya. So bezeichnet der Japaner ein kleines Restaurant, das sich auf japanische Nudelsuppen spezialisiert hat. Wir bestellen Miso-Ramen und Bier und sind sehr zufrieden mit unserer Wahl. Die Suppe schmeckt köstlich, nur das Essen mit den Stäbchen ist ungewohnt. Promt finden sich Flecken auf dem T-Shirt und ich weiss jetzt, warum die Japaner immer den Kopf fast in die Schüssel senken oder die Schale zum Mund führen, wenn sie Suppen essen. Wir zahlen zusammen knapp 2000 Yen für das Abendessen und beenden den ersten erlebnisreichen Urlaubstag sehr zufrieden.


Asakusa - Kamakura - Shibuya

Am nächsten Morgen regnet es, der Himmel ist wolkengrau und es ist wieder sehr schwül. Nach dem Frühstück laufen wir zum Sensoji (Asakusa-Tempel), der sich nur wenige Schritte hinter unserem Hotel befindet. Neben dem Tempel befindet sich ein Shinto-Schrein, der Asakusa Jinja. Am Eingang zum Tempel geht man durch Kaminari-Mon, das Donnertor. Es ist bekannt wegen einer riesigen, roten Laterne aus Papier, die mit schwarzen Schriftzeichen bemalt ist und Blitz und Donner symbolisieren soll. Vor dem Donnertor haben sich links und rechts der Strasse viele Souveniergeschäfte etabliert, so dass eine Mini-Shoppingmeile entstanden ist, die auf uns wie eine Touristenfalle wirkt.
Der Ausflug heute führt uns nach Kamakura, ca. 50 km südwestlich von Tokyo auf der Miura-Halbinsel an der Sagami-Bucht. Wir nehmen die Metro bis Tokyo Hbf und steigen um in einen Nahverkehrszug. Die Fahrt dauert ca. 1h, dann laufen wir durch die kleine belebte Stadt zum Daibutsu, einer Brozestatue des Grossen Buddha, 13.4 m hoch, Gewicht 121 t, gebaut 1252-62. Der Buddha war ursprünglich in einem Tempel untergebracht. Dieser wurde 1334 von einem Tsunami (japanisches Wort für Grosse Welle) vollständig weggespült, der Buddha blieb aber unverletzt. Die Japaner bauten den Tempel wieder auf und nach ca. 20 Jahren wurde auch der Wiederaufbau von einem Tsunami weggespült. Wieder blieb der Buddha unverletzt. Nun liess man ihm Seinen Willen- in Freiheit in der Natur zu stehen. Setdem gab es keine Tsunamis mehr an diesem Ort. Den Buddha kann man "begehen", für 20 Yen - von innen wirkt er erstaunlicher Weise nicht so monumental.
Wir laufen durch die kleine Stadt zur Tempelanlage Hasedera. Hinter dem Eingang betritt man einen liebevoll angelegten Garten, der sich an einem Berghang hochzieht. Im Teich schwimmen Koys und rosa Lotosblumen blühen. Die Tempel erreicht man über eine Treppe bergauf. Von oben richten wir unseren Blick über die Bucht auf das Meer. Die Tempelanlage besteht aus mehreren Bereichen. Uns beeindruckt besonders ein kleiner Friedhof, auf dem viele kleine Steinfiguren aufgestellt sind, sogenannte Jizos. Diese Steinfiguren symbolisieren die Seelen "zu früh gestorbener" Kinder. Der Ort wirkt friedlich, so dass Betroffene hier Trost suchen können.
Am späten Nachmittag sind wir wieder zurück in Tokyo. Wir wollen noch nach Shibuya, der Endhaltestelle der Ginza Linie. Vor dem Bahnhof befindet sich die Statue des legendären "treuen Hundes" Hachiko, einer der bekanntesten Treffpunkte für Verabredungen in Japan. An der Westseite des Bahnhofs kreuzen sich Bahnhofsstraße und Center-Gai. Diese Kreuzung am vielleicht verkehrsreichsten Bahnhof der Welt mit tgl. 2 Mio Passanten zeigt ein einmalig harmonisches Zusammenspiel von Bewegung und Stillstand. Sie wird in Fernsehberichten über Tokyo gern gezeigt. Die Kreuzung ist markiert durch 6 breite Fussgängerüberquerungen, vor denen sich in der Apel Rot-Phase die Menschen ansammeln. Mit dem Umschalten der Ampel auf Grün beginnt der riesige Menschenstrom zu "schwimmen". Den besten Blick auf das Menschenmeer hat man im Starbucks Cafe in einem Hochhaus neben der Kreuzung. Der Platz ist umrahmt von modernsten Geschäften. Hier werden Trends gesetzt, die andernorts erst 1-2 Jahre später zur Normalität werden.




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